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Insitu-Messungen, auch als Hörsystemüberprüfung (Verifizierung) bezeichnet, sind ein objektives Maß dafür, was ein Hörsystem im Gehörgang leistet. Ein dünnes Sondenmikrofon wird in einem Abstand innerhalb von 5 mm vor dem Trommelfell platziert und ein Schallreiz wird über einen Lautsprecher in Richtung Ohr abgegeben. Insitu-Messungen helfen dabei, den vom Hörgerät erzeugten Schalldruckpegel (SPL) und die Verstärkungswirkung des Gehörgangs darzustellen.
Einfach ausgedrückt: Die Durchführung von Verifikations- bzw. Insitu-Messungen dienen zum Nachweis, dass das Hörsystem für den Kunden maximalen Nutzen bietet und das Hörsystem mit dem in der Herstellersoftware ausgewählten Anpassziel übereinstimmt.
Diese Messungen sind unerlässlich, da die Anatomie des Gehörgangs bei jeder Person anders ist. Das wirkt sich unterschiedlich bei dem im Gehörgang ankommenden Signal aus. Nur mit Insitu-Messungen können Sie diese Effekte messen und bei der Hörsystemprogrammierung berücksichtigen.
Weitere Gründe für Insitu-Messungen sind die Überprüfung der Wirkung von Richtmikrofonen und weiterer Hörsystemfunktionen wie z.B. der Frequenzabsenkung.
Bevor wir mit der Überprüfung von Hörsystemen fortfahren, ist es wichtig, sich mit der Validierung von Hörsystemen zu beschäftigen und warum der „First Fit“ durch den Hersteller nicht allein ausreicht.
Die Validierung von Hörsystemen ist ergänzend zu Insitu-Messungen und stellt sicher, dass das Hörsystem die Bedürfnisse des Kunden in der realen Hörumgebung erfüllt. Sie ist ebenso ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum richtigen Hörsystem.
Zu den Formen der Validierung gehören Fragebögen, subjektive und funktionelle Bewertungen des Hörvermögens, wie z. B. ein ergänzender Hörtest. Die Validierung setzt voraus, dass der Kunde bereits Erfahrung mit dem Tragen des Hörsystems hat, daher werden diese Messungen erst nach der ersten Anpassung durchgeführt.
Alternativ zu Insitu-Messungen werden oft die „First Fit“ der Hersteller verwendet. Valente et al. (2018) untersuchten, wie gut die „First Fit“ mit dem Anpassziel übereinstimmen [1]. Sie verglichen die „First Fit“ mit Insitu-Messungen, die in der Studie als programmierte Anpassung bezeichnet werden. Dies wurde bei 50-, 65- und 80-dB-Eingangspegeln bewertet.
Betrachten wir zunächst den Eingangspegel von 65 dB (Abbildung 1).
Die Streudiagramme in Abbildung 1 zeigen, wie gut das Hörsystem in der Lage war, eine Übereinstimmung mit dem Zielwert zu erreichen. Das heißt, wie weit ist die tatsächliche Ausgangsleistung des Hörsystems in der jeweiligen Frequenz im Vergleich zum ausgewählten Anpassziel entfernt? Ein Wert von 0 dB bedeutet eine perfekte Übereinstimmung mit dem Anpassziel.
Grafik C zeigt den „First Fit“ des Herstellers. Die mittleren Ergebnisse weichen zu den höheren Frequenzen hin erheblich vom Zielwert ab. In diesem Diagramm können Sie auch die kleinen Kreise sehen, die die individuellen Messungen der Probanden darstellen.
Die „First Fit“ der Hersteller zeigten also nicht nur eine schlechte Übereinstimmung mit dem Zielwert, sondern auch eine große Streuung zwischen den Messwerten der Probanden. Somit ist es also schwierig, die Abweichung vom Anpassziel mit dem „First Fit“ des Herstellers vorherzusagen.
Im Gegensatz dazu lagen die mittleren Ergebnisse bei Diagramm D viel näher bei der Nulllinie. Eine Insitu-Messung führt also zu einer viel besseren Übereinstimmung mit dem Zielwert. Die individuellen Streuungen sind auch bei den tiefen und mittleren Frequenzen viel geringer. Dies zeigt, dass es notwendig ist, die Eigenschaften des Gehörgangs zu messen, um eine genauere Anpassung zu erreichen.
In dieser Arbeit wurde auch das Ergebnis der Sprachunterscheidung der Kunden nach der Hörsystemanpassung untersucht (Abbildung 2). Verglichen wurden die Probanden, die nach dem „First Fit“ des Herstellers angepasst wurden, mit denjenigen, die mit Insitu-Messungen angepasst wurden - in der Abbildung als „Programmed“ bezeichnet.
Die Balkendiagramme in Abbildung 2 zeigen die Verständlichkeit für Wörter bei den einzelnenn Eingangspegeln, gemittelt für „First Fit“ und Insitu-Messung.
Bei einem Eingangspegel von 50 dB, also einem leisen Sprachpegel, ist eine signifikante Verbesserung der Wortbewertung bei den Kunden festzustellen, die mit Insitu-Messungen, im Vergleich zu denjenigen, die mit dem „First Fit“ des Herstellers angepasst worden sind. Der signifikante Unterschied zeigt sich auch bei einem Eingangspegel von 65 dB.
Bei leisen und normalen Sprachpegeln ergibt sich also ein viel besseres Wortverstehen, wenn die Hörsysteme mit Insitu-Messungen angepasst wurden. Dies sind die Eingangspegel, bei denen Menschen mit Hörverlust am meisten Probleme haben.
Wir wissen also, dass die Insitu-Anpassungen näher an das Ziel kommen und die Sprachverständlichkeit besser ist. Aber was bevorzugt der Kunde? Laut Valente et al. (2018) bevorzugten 79% der Kunden die Insitu-Messung, während nur 21 % den „First Fit“ bevorzugten.
Insitu-Messungen werden von fast allen älteren Kindern und Erwachsenen gut toleriert. Kontraindikationen für die Durchführung der Messung sind in der Regel mit Anomalien des Gehörgangs verbunden. Dazu gehören:
Zu viel Cerumen bedeutet, wenn Sie das Trommelfell nicht mehr eindeutig sehen können, oder das Ende des Sondenschlauchs verstopft ist.
Wenn Cerumen einen großen Teil des Gehörgangs ausfüllt, kann dadurch der Tieffrequenzbereich des Hörsystems beeinträchtigt werden. Dies kann durch Messung des Restvolumens im Gehörgang durch Tympanometrie festgestellt werden.
Wenn Cerumen mehr als ein Drittel des Gehörgangs einnimmt, werden auch hohe Frequenzen beeinträchtigt.
Dies könnte z.B. durch eine Infektion im Gehörgang verursacht worden sein.
Bei einem perforierten Trommelfell besteht die Gefahr, dass der Sondenschlauch in den Mittelohrraum eindringt. Eine Perforation kann auch so groß sein, dass alle Messungen durch ein vergrößertes Gehörgangsvolumen erheblich beeinträchtigt werden.
Abbildung 3 zeigt, wie die Insitu-Messung funktioniert und welche Ausrüstung dafür benötigt wird.
Die Sonde und das Hörsystem werden in die Gehörgänge eingeführt. Danach präsentiert der Lautsprecher einen akustischen Reiz. Dieser Reiz wird von einem Referenzmikrofon, das sich außerhalb des Gehörgangs befindet, gemessen. So wird sichergestellt, dass der richtige Schalldruck das Ohr erreicht.
Die Auswirkung des Gehörgangs inklusive Hörsystem wird mit dem Mikrofon der Insitu-Sonde aufgenommen. Die Software zeigt den im Gehörgang gemessenen Frequenzgang gemeinsam mit dem ausgewählten Anpassziel an. Dies gibt Aufschluss darüber, ob Sie die Verstärkung des Hörsystems anpassen müssen.
Dies ist eine vereinfachte Beschreibung, allerdings gibt es ein paar zusätzliche Maßnahmen, die zu qualitativ hochwertigen Insitu-Messung führen. Lassen Sie uns diese jetzt betrachten.
Zunächst müssen Sie dafür sorgen, dass Ihr Raum richtig ausgestattet ist (Abbildung 4).
Zunächst ist es wichtig, das Audiogramm Ihres Kunden zu kennen. Diese Information ist wichtig für die Hörsystemanpassung, wie zum Beispiel:
Wenn Sie diese Informationen haben, können Sie den Bildschirm für das REM-Modul aufrufen.
Wenn Sie das REM-Modul Ihrer Software starten und Ihr Testprotokoll auswählen, werden Sie aufgefordert, die Anpassvorschrift zu wählen. Hierzu gibt es eine große Auswahl.
Wir empfehlen die Algorithmen von NAL- oder DSL.
Beide Anpassverfahren bieten eine evidenzbasierte Zielvorgabe und somit einen guten Ausgangspunkt für eine gute Anpassung.
Sobald Sie das Ziel ausgewählt haben, müssen Sie weitere Informationen berücksichtigen, um die Anpassung weiter auf Ihren Kunden abzustimmen. Das kann die Auswahl zwischen einer monauralen oder binauralen Anpassung sein, oder ob die Messung der Knochenleitung im Anpassprozess berücksichtigt werden soll.
Bevor Sie den Sondenschlauch in den Gehörgang einführen, muss dieser kalibriert werden. Dieser Schritt kann ohne Anwesenheit des Kunden durchgeführt werden. Dabei wird das externe Mikrofon mit dem Sondenschlauch abgeglichen, um den Frequenzgang des Sondenschlauchs zu kompensieren. Ein Stimulus wird präsentiert und auf dem Bildschirm erscheint eine Kurve wie in Abbildung 5.
Die Kalibrierung kann bei einer REUG-Messung überprüft werden, indem Sie nach der Kalibrierung eine Messung bei 65 dB SPL durchführen. Dabei sitzt der Ausgang des Sondenschlauchs vor dem Referenzmikrofon. Wenn die Sonde richtig kalibriert ist, entsteht eine flache Kurve mit einem Verstärkungswert von 0 dB (siehe Abbildung 6).
Der Sondenschlauch ist der Bezugspunkt für die Messung Ihrer Anpassung, und die richtige Platzierung gewährleistet eine hochwertige Messung. Um eine gute Platzierung zur sichern, sind folgende Schritte zu beachten:
Sobald die Sonde platziert ist, kann die Messung beginnen. Um die Qualität der Sondenplatzierung zu beurteilen, liefert die REUG-Messung eine Aussage. Liegt die Messkurve bei 6 kHz nicht bei 0 dB ( Abweichung ca. +5/-5 dB ) sollte der Sondensitz überprüft werden.
Für Nutzer einer Affinity Compact besteht weiterhin die Möglichkeit, mit einem Indikator die Sondenplatzierung zu beurteilen. Hier verwendet die Software ein spezielles Signal um zu erkennen, in wieweit der Sitz der Sonde im Gehörgang noch verändert werden sollte.
Mit der REUG-Messung können Sie die natürliche Verstärkung des unversorgten Ohrs messen. Diese Messung ist hilfreich, um die Positionierung des Sondenschlauchs zu beurteilen. Abbildung 7 zeigt einen gewünschten charakteristischen Messverlauf.
Wie in Abbildung 7 zu sehen, liegt die Verstärkung in den hohen und mittleren Frequenzen bei 0 dB. Der Anstieg liegt im Spitzenwert bei etwa 2,5 kHz und fällt dann im hohen Frequenzbereich wieder auf 0 dB ab. Sollte bei 6 kHz ein negativer Wert von mehr als -5 dB zu nachgewiesen werden, sollte der Sondenschlauch tiefer im Gehörgang platziert werden, also näher Richtung Tormmelfell.
Die REOG ist die Messung des verschlossenen Gehörgangs. Setzen Sie dazu zunächst das Hörsystem in das Ohr Ihres Kunden und schalten Sie es stumm oder aus. Führen Sie dann Ihre Messung durch und vergleichen Sie diese mit der REUG-Messung.
Wenn der Wert gleich oder ähnlich ist, bedeutet dies, dass die Funktion des Hörsystems nur eine minimale Wirkung im Gehörgang hat. Dies ist eine offene Anpassung. Wenn dies der Fall ist, müssen Sie die Kalibrierung für eine offene Anpassung durchführen.
Bei großen Unterschieden zwischen der REUG und der REOG bedeutet dies, dass die Anpassung eher als verschlossen zu bewerten ist. Das bedeutet, dass das Hörsystem den Gehörgang verschließt.
Diese Information kann genutzt werden, um zu entscheiden, welche akustische Variante für Ihren Kunden am besten geeignet ist. (Otoplastik, offene Anpassung, welche Belüftungsbohrung etc.)
Die Kalibrierung für offene Ohrpassstücke ist ein Verfahren zur Gewährleistung der Genauigkeit bei der Anpassung von Hörgeräten, bei denen die Möglichkeit besteht, dass Verstärkungsanteile des Hörsystems während der Messung aus dem Gehörgang austreten. Dabei handelt es sich in der Regel um „Domes“ mit offener Passform oder Ohrpassstücke mit großen Belüftungsbohrung.
Um die Messung durchzuführen, schalten Sie das Hörsystem stumm und führen Sie die Kalibrierung für die Messung „calibrate for open fit“ durch, wobei sich Ihr Kunde in einer Position befindet, die er für den Rest der Messungen beibehalten sollte. Dadurch wird das Referenzmikrofon während der nachfolgenden Messung ausgeschaltet. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Ihr Kunde für den Rest der Hörgeräteanpassung ruhig sitzen bleibt. Sie sollten diesen Vorgang für jeden Stimulus durchführen, den Sie für Ihre Messungen verwenden möchten.
Das Hörsystem wird vor dieser Messung eingeschaltet und es kann mit der Überprüfung der Anpassung begonnen werden. In der Praxis empfiehlt sich, mit drei verschiedenen Pegeln zu testen: 65, 80 und 50 dB. Auf diese Weise werden drei verschiedene Intensitätsstufen getestet und beurteilt. Die Funktion „Delta-Werte“ innerhalb der Affinity Suite können Sie nutzen, um zu beurteilen, ob das Hörsystem der Zielvorgabe entspricht, oder ob weitere Anpassungen erforderlich sind. Wenn bei den o.a. Pegeln eine Zielanpassung erreicht ist, ist der objektive Teil der Anpassung abgeschlossen.
Die oben aufgeführten Schritte bedeuten nicht das Ende der Hörsystemanpassung. Weitere Schritte im Rahmen der Anpassung sollten berücksichtigt werden:
Je nachdem, wie weit Ihr Kunde in der Rehabilitation fortgeschritten ist, kann es sein, dass er mit dem Klang der Hörgeräte nicht zufrieden ist oder einige Anmerkungen dazu hat. Hier sind einige häufige Kommentare, die Sie hören könnten:
Die Versuchung ist groß, die Verstärkung des Hörsystems zu verringern, um somit auf die Aussagen des Kunden einzugehen, um im Verlauf der Anpassung die Verstärkung wieder anzuheben.
Es gibt jedoch Hilfsmittel, mit denen Sie sicherstellen können, dass der Frequenzgang der Anpassung beibehalten wird. Manche Fittingmodule der Hörsystemhersteller ermöglichen es Ihnen, einen so genannten Anpassungsmanager einzustellen. Hierbei wird der Frequenzgang im Laufe des Anpassprozesses automatisch verändert, um somit eine gute Sprachverständlichkeit zu erzielen.
Wenn Ihr Kunde Ihr Geschäft verlässt, sollte er wissen, wie man:
In der letzten Phase vereinbaren Sie einen Folgetermin und besprechen die nächsten Schritte der Anpassung. Die Hörsystemanpassung ist nicht mit dem ersten Anpassungstermin abgeschlossen. Ort und Zeitpunkt sprechen Sie individuell mit Ihrem Kunden ab.
Die Beratung ist während des gesamten Anpassungsprozesses unerlässlich und umfasst unter anderem folgende Punkte
[1] Valente M, Oeding K, Brockmeyer A, Smith S, Kallogjeri D. Differences in Word and Phoneme Recognition in Quiet, Sentence Recognition in Noise, and Subjective Outcomes between Manufacturer First-Fit and Hearing Aids Programmed to NAL-NL2 Using Real-Ear Measures. J Am Acad Audiol. 2018 Sep;29(8):706-721. doi: 10.3766/jaaa.17005. PMID: 30222541.
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